Montag, 28. September 2015

Blickrichtung : Vergessen

Heute mal ein Bericht aus dem eigenen Kunstraum : "option.265" mit der aktuellen Ausstellung

Blickrichtung : Vergessen 

Sandra Struck-Germann filzt seit einiger Zeit mit an Demenz erkrankten Senioren. Alle paar Wochen fährt Sie dazu nach Solingen in die Lukasklinik und arbeit mit den älteren Teilnehmerinnen an jahreszeitlichen Kleinigkeiten = Bilder, kleine Anhänger oder auch einfach eine Kette.

Bei der Arbeit mit den dementen Senioren brodeln starke Gefühle unter der Oberfläche. Manche brechen aus, mal sanft, mal nur in liesen Tönen, in einem Weinen oder einfach einer Ausrede: "das habe ich schon als Kind nicht gerne gemacht" oder ein herzliches kindliches Lachen begleitet die handwerklichen Stunden.

Für Sandra selber ist die Arbeit, das Filzen mit den Senioren eine "gefühlte" Achterbahn der Emotionen. Diese Emotionen finden in den gefilzten Portraits der Senioren einen starken Ausdruck. Hier kann sie diese Gefühle einarbeiten und lässt die Gesichter, die Portraits zu gefühlvollen Kunstwerken entstehen.

Sie selber schreibt: 


"Seit mehreren Jahren arbeite und filze ich mit Senioren, die zum Teil demenzkrank sind. Die Gruppen sind jedes Mal verschieden zusammengestellt.                                            

Alte Menschen in der Geriatrie  und im Seniorenheim erleben ihre körperlichen  Defizite oft sehr schmerzhaft. Sie erleben, was sie alles nicht mehr können, was im Vergleich zu früher nicht mehr geht. Sie sehen sich nur noch in der Empfängerrolle. Deutlich ausgeprägte Versagensängste werden von Sätzen wie „ das konnte ich als Kind schon nicht gut“ begleitet.  Selbstwertgefühl und  Zutrauen in eigene Fähigkeiten und Möglichkeiten sind gering. Sie begegnen Neuem sehr misstrauisch und ablehnend.
 
Meine Kurse sollen dem entgegenwirken. Dafür suche ich zunächst kleine Projekte aus, die zur Jahreszeit oder zu einem bestimmten Thema passen wie zum Beispiel Engelsflügel zu Weihnachten, Schmetterlinge und Blumen zum Frühling oder Windlichter für das Sommerfest. Entsprechend bereite ich dann die Materialien vor.

Ich versuche zu Beginn eines Kurses, mit den Senioren ins Gespräch zu kommen – über das Wetter, die Jahreszeit, über Lieblingsfarben, um so  schließlich die Aufmerksamkeit der Teilnehmer zwanglos auf beispielhaft gezeigte Objekte zu lenken,  die gefilzt werden sollen."
  Als Vorlage ihrer Filzportraits nimmt sie die Fotografien von Martin Woerner.


Martin Woerner hat sich dieser Aufgabe gestellt und sein Ziel war es, den Senioren in seinen Fotos nicht ansehen zu können, dass da eine schleichende Krankheit Würde und auch Identität nimmt. 








Zu den großen Filzportraits von Sandra Struck-Germann kamen dann noch kleine feine Foto-Filzarbeiten hinzu.

Hier zeigt sie auch, dass Sie nicht nur groß kann, sondern auch meisterlich versteht gefühlvolle kleine Arbeiten zu erarbeiten.






Hier gleich zwei Arbeiten 
- Filz und Fotografie - 
im direkten Vergleich. 



Durch die Farbzurückhaltung bekommen die schwarz-weißen Filzportraits eine eigene sehr starke Aussage. 






Selbst die weniger kontrastreichen Filzportraits überwältigen einen und man steht staunend vor diesen "lebendigen" Gesichtern. 









Natürlich habe auch ich mich mit dem Thema Demenz beschäftigt. 

Ich kenne Sandra schon länger, kenne ihre Kunstwerke, weiß um die Arbeit mit den Senioren und nicht zuletzt durch die verbale Bearbeitung der Fotografien von meinem Mann Martin Woerner, musste ich unweigerlich auch mitmachen.

Hineingezogen in diesen Strudel der Gefühle, die Auseinandersetzung mit der Krankheit Demenz, entstanden auf der Grundlage der Fotos von meinem Mann, kleinere Kunstwerke, die ich in einem spontanen Einfall mit Blumen und anderen Stickereien überzogen habe. Auch ich wollte damit ausdrücken, dass Individuelles, Menschliches und sehr Persönliches verloren geht. Für immer. Und manchmal versteckt es sich auch nur ..... hinter "Blumen".


Alles in Allem ... wir wollen eine Diskussion starten und anregen sich mit der Krankheit Demenz zu beschäftigen. Vielleicht betrifft es uns selber auch mal. 

Wir wollen diese Ausstellung wandern lassen und sind in Verhandlung mit der Rudi Assauer Stiftung und anderen Initiativen. Einige Städte, wie Leverkusen, Düsseldorf und Solingen sind im Gespräch. Weitere folgen hoffentlich noch.

Und es soll noch eine Aktion, eine Briefaktion entstehen, an der sich alle beteiligen können, dürfen, die einmal schriftlich ihre Erfahrungen mit dementen Menschen, festhalten wollen. 

Der Gedanke, daraus ein Buch zu machen, steht im Raum. 

Ein Buch über die Krankheit Demenz. Künstlerich aufgearbeitet. 




Die Ausstellung geht noch bis zum 10. Oktober und kann an allen Samstagen und Sonntagen von 14-18 Uhr besucht werden. 

Gerne auch nach anderer Terminabsprache.


Martina
alias Frau U. 






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